Am Anfang stand das World-Trade-Center ...
--- Eine Fassung mit Bildern findest Du auf http://www.mein-bochum.de unter "Hildegards Welt / Reportagen" ---
......noch- und so auch am Ende meines Urlaubs. Aber dann, einen Monat später standen die Zwillingstürme nur noch in Schutt und Asche.
Als ich im Fernsehen die Bilder der Katastrophe wahrnahm, dachte ich zuerst an einen ziemlich makabren Horror-Streifen von Steven Spielberg. „Echt geschmacklos, dann schon lieber Dinosaurier“, sagte ich laut zu mir selbst. Noch während ich, empört über das Programm, im Begriff war umzuschalten, meldete sich aggressiv das Telefon aus der anderen Wohnzimmerecke. „Hallo Mama,“ hörte sich mein Sohn ganz aufgeregt an, „schalte sofort den Fernseher ein.“
Also doch kein Horrorfilm...
Spontan schossen mir Tränen in die Augen und hilflos wie ich mich in dem Moment fühlte, wusste ich nur aufzuschreien. Meine Gedanken überschlugen sich, passten sich der katastrophalen Stimmung total an. Thorsten, der Sohn meiner auf Long Island lebenden Schwester hatte beruflich in New York zu tun, was wenn er gerade im Gebäude war. „Nein, das kann nicht sein, das darf nicht sein“, stoppte ich meinen wirren Gedankengänge. „Gudrun muss ich anrufen, sie ist auf der Arbeit und weiß noch nichts davon.“
Meine Freundin Gudrun reagierte ziemlich heftig als ich ihr von dem Unglück berichtete. Ihre Gefühlsausbrüche bewegten sich zwischen Beschimpfungen gegen meine Person, für den Blödsinn den ich ihrer Meinung nach erzählte und lautem Schluchzen. „Mein Gott, Hilli, sag dass das nicht stimmt“, weinte sie.
Von ihrer Fassungslosigkeit zutiefst gerührt, die laufend „frischen“ Bilder aus dem Fernsehen vor Augen, ging es mir unbeschreiblich schlecht.
Von einer Sekunde zur anderen waren unsere schönen Urlaubserlebnisse, die wir von dem World Trade Center mit nach Hause brachten, wie ausradiert. Nur Angst und Panik machte sich noch in meinem Gehirn breit. „Hast du deine Schwester angerufen“, schrie sie mich an, „ruf sofort Inge an.“
Indem ich auflegte um Ingrid anzurufen, klingelte das Telefon, für meine Begriffe, wie doof.
„Mausi, Mausi“, brüllte Ingrid durch die Leitung, „hast du gehört, hast du gesehen?“
Ich kann mit Worten nicht beschreiben, wie viel Entsetzen über das Unglück sie mir durch die Leitung schickte, was mich traf wie ein Stromschlag.
„Thorsten wollte heute Vormittag mit dem Hampton Jitney in die City, oh my god. I cant believe this, i cant believe this.“
Ihr Sohn, mit Wohnsitz in Wilhelmshaven, welcher sehr oft und wochenlang geschäftlich in USA zu tun hat, mietete sich Tage vor dem Attentat ein kleines Büro im Tower an. Guter Dinge, denn von anberaumten Terminen, einer davon der 11. Sept. nachmittags, erhoffte er sich erfolgversprechende Geschäfte.
Jede Menge Urlaubsfotos, mit den dazugehörigen Erinnerungen, habe ich nach langer Zeit ins Album „verpacken“ können. Ewig lagen sie unberührt im Regal und warteten darauf endlich bestaunt zu werden. Und wie sie bestaunt werden, vor allem natürlich die Zwillingstürme.
Der imposanteste Blick auf die Skyline bot sich meiner Ansicht von Ellis Island aus, jedenfalls auf das, was sie seinerzeit ausmachte.
Sobald ich mir die einmalig schönen Aufnahmen anschaue, laufen die Urlaubserlebnisse wie ein Film in meinem Kopf ab....
.....Am fünften Tag meines bzw. unseres Urlaubs auf Long Island entschied meine Schwester, mit dem Hampton Jitney in die City zu fahren. Den Stress mit dem Auto wollte sie sich nicht antun, weshalb sie stattliche Parkgebühren dem Fahrpreis für den Bus einschließlich der Bequemlichkeit entgegenhielt. Der Tag davor war für meine Freundin Gudrun genauso von Nervosität geprägt wie für mich. Obwohl ich die Freiheitsstatue, die Skyline, Ellis Island und die Twin-Tower schon mal erleben durfte, konnte ich in der Nacht vor Aufregung kaum einschlafen. Schließlich war es schon wieder drei Jahre her und wie würde Gudrun reagieren?
Die Eindrücke werden sie erschlagen, wusste ich sie einzuschätzen, womit ich Recht behalten sollte.
Nach ungefähr zweieinhalb Stunden Busreise brachte uns die Fähre zunächst nach Ellis Island. Etwas abweichend von meiner Vorstellung, heulte Guddi wie ein Schlosshund beim Anblick der berühmten Miss Liberty. Nun ja, beeindruckend wie sie ohne Zweifel ist, die Freiheitsstatue, kann es zu solch Gemütsbewegungen kommen. Ingrid, gefühlsbetont schon vor ihrer „Einwanderung“, stimmte solidarisch ein. Und typisch amerikanisch fanden jene Darbietung auch die anderen Touristen einfach nur „great“!
Angepasst dem amerikanischen Wortlaut, brachten wir mit „Wow, great“, im Einklang der Begeisterung über das World Trade Center unsere Faszination unüberhörbar zum Ausdruck. Von Ellis Island aus bewundert, stand es uns wenige Stunden später groß und breit zu Füßen.
Halsverdreherisch bis zum Anschlag versuchte ich den oberen Teil des unglaublich gigantischen Bauwerks mit den Augen zu erwischen, was mir aber nur Gelächter der umstehenden Leute einbrachte. Und? Ich lachte herzhaft mit.
Selbstredend, dass uns drei Weibsen einer der vielen Aufzüge mit Spitzengeschwindigkeit von –man staune- dreißig Stundenkilometer nach oben fahren sollte, genauer in die „Einhundertzehnte“. Zuvor hieß es selbstverständlich - „anstellen“! (nicht anschnallen)
Wie bei allen Sehenswürdigkeiten stauten sich bereits an den Kassen die Endlosschlangen, „so what“- Augen zu und durch. Und natürlich auch durch die Kontrollen. Geradezu angesteckt von der Gelassenheit unzähliger Touristen, wirkte auch ich wohl ziemlich cool. Zumindest bestätigte mir das meine Schwester, nachdem ich der freundlichen Sicherheitsbeamtin meine Hand statt der Tasche reichte.
Dass kein Weg am Sicherheitsdienst vorbeiführte, ähnlich wie nach dem „Einchecken“ am Flughafen, fand ich äußerst beruhigend. Immerhin ......
Oben - nein fast oben, unter leichtem Ohrendruck angekommen, nahmen Gudrun, Ingrid und ich uns erst einmal an die Hand. Zeitgleich, so hatte es den Anschein, erreichte uns das Bedürfnis nach Körpernahe. Erst dann, sozusagen unter dem Siegel der Verbundenheit konnte es losgehen.
„So sieht es also von innen aus, das World Trade Center“, lachte Gudrun meine Schwester an. Ehrlich gesagt wusste ich in dem Moment ihre Begeisterung nicht einzuordnen, denn unten im Eingangsbereich war ja auch schon World Trade Center. Vielleicht konnte sie es auch nur wegen der vielen Menschen nicht bewusst wahr nehmen. Mir ging es übrigens nicht anders.
Ein Koloss von Gebäude, gegliedert in Etagen mit unzähligen Türen, von denen ich zu gerne gewusst hätte wohin sie führen, stellte sich als das berühmtestes Bauwerk der Welt dar. Auf jene Konstruktion, World Trade Center genannt, ist Amerika stolz wie nur was „und ich...
weil ich von oben auf Miss Liberty herabsehen kann“, waren meine beinahe kindlichen Gedanken, während ich durch die monumentalen Fensterscheiben über den Stadtteil Manhattan blickte.
Man stelle sich die unzähligen Fotos vor, die wir schossen. Gudrun im Übereifer, entpuppte sich regelrecht als „die“ Fotogräfin. Hochmütig wirkten neben ihren Verrenkungen, durch die leicht beschlagenen Scheiben, ihre Äußerungen, das genialste Panorama der Welt einzufangen.
Unterdessen wir wie wild Fotos schossen, fühlte sich Ingrid für unser leibliches Wohl zuständig. Gerade in dem Moment, als ich Gudrun für meinen knurrenden Magen verantwortlich machen wollte, harkte Inge uns unter. Fast Food auf oberste Sohle des World Trade Centers, wer hätte das gedacht.
Und obendrein sah es wirklich sehr gepflegt aus, das offene Restaurant mit fast kulinarischer Food - Auswahl.
Die Hundertzehnte sollte noch so einiges zu bieten haben, was meine „führende“ Schwester uns auf keinen Fall vorenthielt. Auf direktem Weg zum Souvenir-Shop, sie kannte sich schließlich aus, gab sie plötzlich zum Besten: „Komisch, diese Typen, die sehen aber so gar nicht nach Touristen aus. Ich verwette meinen Hintern, dass sie auch nicht dem Sicherheitsdienst angehören!“
Genauso gab sie es von sich, aber offen gestanden, fand ich sie einfach nur etwas spleenig, na ja, typisch amerikanisch halt.
Ich erinnere mich schwach an dunkelhaarige Männer mit adrettem Aussehen, in schwarzen Hosen und weißem Oberhemd. Was daran auffallend sein sollte, konnte ich leider nicht nachvollziehen. Merkwürdig fand ich deshalb eigentlich nur Ingrid.
Erst im Nachhinein, jetzt zum Beispiel wo ich darüber schreibe, überkommt mich schier die Gänsehaut. Wollten diese Männer inspizieren, waren sie mitverantwortlich für das was einen Monat später die Welt verändern würde? Oh mein Gott.......
Wieder mal rüstete Gudrun auf, ihren Fotoapparat natürlich, wie sollte es auch anders sein. Während sie sich ihre Umhängetasche mit Filmen voll stopfte, ergatterte ich, auch wieder mal, eine echt gelungene Anfertigung der Freiheitsstatue. Diesmal allerdings in Winzig-Klein-Format, da diese noch zu meinem Glück und in meiner Sammlung fehlte.
„Smilig“ grinsend, über den Gewinn einer solchen Errungenschaft, kündigte Inge den uns noch bevorstehenden Höhepunkt des World Trade Trips an.
Hinauf in die, ich möchte sagen, „Einhundertundelfte“! Zuvor machten wir aber noch einen kleinen Schlenker zur Fotokabine.
Aufgemacht wie ein PKW mit Zwei-Personen-Kinder-Sitz, versuchten wir drei „Vollschlanken“ Platz zu finden. Fanden ihn aber nicht, das heißt, wir quetschten uns mit aller Kraft hinein. Gudrun, unsere Kleinste, blieb beim vergeblichen Versuch frontal mit aufs Foto zu kommen ständig auf der Strecke. Man stelle sich das so vor, dass Guddi auf der rechten Seite immer wieder aus dem Wagen fiel, sobald Inge von der linken Seite auch nur die leiseste Annäherung versuchte, sich mit vors Objektiv zu zwängen. Von einer goldenen Mitte konnte in dieser Position, in der ich mich befand, nicht die Rede sein. Eingequetscht von meiner lieben Schwester und der besten Freundin ließ mich ein rettender und platzsparender Einfall auf Befreiung hoffen. Mit langgezogenem Gesicht und herunterhängenden Lippe, hoffte ich meinen beiden Mitstreiterinnen genügend Raum bieten zu können, um mit auf Foto zu passen. Echt zum Schießen verriet Guddis Grimasse, wie angetan sie von meiner Idee war. Durch hochgezogene Augenbrauen glaubte sie tatsächlich, ausreichend Platz für Inge zu schaffen, die zufrieden lächelnd über unsere Köpfe hinweg auf uns herabsah. Knopfdruck und Schuss; dieses perfekte Erinnerungsfoto handelte uns sogar Beifall von „Außen“ an.
Und danach ging´s bergauf:
Das oberste Plateau erreichten wir über eine Rolltreppe und spätestens ab hier fehlen mir einfach nur – für ein paar Minuten Andacht - die Worte.
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Selig genoss ich die Aussicht, teilte mit meiner Freundin die ganze Freude über unseren gelungenen Urlaub. Und glückselig wie wir waren, holten uns nicht eine Sekunde irre Gedanken wie Einsturz oder Attentat ein. Wir waren einfach nur happy.
Ich versuchte mir krampfhaft vorzustellen, wie es für meine Schwester gewesen sein musste, als sie in schwindelerregender Höhe ihrem „Sunshine“ das Ja-Wort gab.
„Sag mal Inge, wie hast du es damals empfunden, deine Heirat hier hoch oben? Schade, dass ich nicht dabei sein konnte.“
„Es war great Mausi und sehr windig. Aber Revue passieren lassen“, schlug Inge vor, „können wir in der Einhundertsiebten, hurry up.“
Also fuhren wir mit dem Aufzug hinunter in die Einhundertsiebte. Super-Klasse die Bar, Coke schlürfend genossen wir in Abschiedsstimmung ein letztes Mal den grandiosen Ausblick.
Gerade in diesem Moment bekomme ich wieder diese Gänsehaut. Ich erinnere mich noch so genau, wie wir uns mit den Colagläsern zuprosteten und versprachen bald wieder hier oben zu sitzen. Es sollte ganz gewiss nicht das letzte Mal sein.
„Stellt euch vor“, gab Ingrid an, „Sunshine und ich bekamen zur Hochzeit eine Eintrittskarte geschenkt, die uns kostenlosen Eintritt alljährlich zum Valentinstag gewährt. Wenn wir wieder in Montauk sind, werde ich sie euch zeigen.“
Dieser Satz ist wie eingraviert in meinem Kopf, sowie jenes Bild vom aufgekratzten Mienenspiel.
Ich könnte weinen. Um die Erinnerungen, die vielen unschuldigen Opfer, um die Hinterbliebenen.
So unglaublich wie ich es damals wie heute fand, an einem solchen Ort zu heiraten, empfand mein Schwager, unter anderem tätig bei der Freiwilligen Feuerwehr, seinen derart grausamen Einsatz in Manhattan.
Trauerarbeit um die Opfer leistet er mit vielen anderen Betroffenen noch heute und hofft wie alle, für alle - auf Frieden.
Währenddessen wir schnatternden Gänse uns zum Rückmarsch auf eines der Nobeltoiletten frisch machten, brachte Gudrun es allen Ernstes fertig, auf den versprochenen Besuch von „River Dance“ am Broadway anzuspielen. Und das so kaputt wie ich war. Das Laufband auf der Stirn: Wo nimmt man nur soviel Power her, musste meine Schwester mir wohl abgelesen haben.
„Don´t worry“, meinte Inge, „das machen wir, gleich übermorgen. Was sind schon die paar Stunden Fahrt?“
„Voll amerikanisiert, die Frau“, war mein einzigster und letzter Gedanke für diesen Tag und New York vorerst kein Thema mehr.
Nie hätte ich geglaubt, dass New York für mich persönlich, in dieser Form ein Thema sein würde. Meine Erinnerungen sollten nur von bemerkenswerten Erlebnissen gekrönt sein, wie der Besuch des World Trade Centers, das hinreißende Panorama auf die Skyline von Manhatten, das Golden Empire State Building, die Taxi-Fahrt durch New-York, Little Italy, China-Town, die Wallstreet, Big Apple und ach so vieles mehr.
Nur einen Monat vor dem Inferno, bin ich sozusagen dem Unglück entkommen.
geschrieben von Hildegard Grygierek
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