Saddam zum Tode verurteiltBush feiert "junge Demokratie"US-Präsident George W. Bush hat die Urteile gegen den irakischen Ex-Diktator Saddam Hussein und mehrere seiner Gefolgsleute als "Meilenstein" für die "junge Demokratie" des Irak bezeichnet.
Bush kommt das Todesurteil im Wahlkampf nicht ungelegen
Die Urteile seien eine "größere Errungenschaft" bei den Bemühungen des irakischen Volkes, eine Tyrannenherrschaft durch die Herrschaft der der Gesetze zu ersetzen, sagte Bush am Sonntag in Waco (Texas) vor dem Abflug zu weiteren Wahlkampf-Auftritten. In den USA finden am Dienstag Kongresswahlen statt.
Saddam bei der Verkündung des Urteils
Der Präsident betonte, die USA seien stolz, an der Seite des irakischen Volkes zu stehen. Saddam sei "jener legale Prozess zuteil geworden, den er anderen verweigert hat". Die Opfer ihrerseits hätten Gerechtigkeit erfahren, "von der viele glaubten, dass sie niemals kommen wird". Bush fuhr fort, dass auf dem Weg zu einem stabilen demokratischen Irak noch viel Arbeit zu tun sei. Die USA würden weiterhin eng mit der irakischen Führung zusammenarbeiten.
Der sichtlich erschütterte Ex-Machthaber ruft "Gott ist Groß" und "Lang lebe die Nation".
Tod durch ErhängenSaddam war zuvor in Bagdad zum Tode durch den Strang verurteilt worden. Das Sondertribunal für die Verbrechen des alten Regimes in Bagdad ordnete außerdem die Hinrichtung seines Halbbruders Barsan al-Tikriti und des ehemaligen Richters Awad al-Bandar an.
Proteste gegen das Urteil in Tikrit, ...
... Jubel bei Kurden in Kirkuk ...
... und bei Schiiten in Bagdad.
"Das Gericht hat entschieden, Saddam Hussein al-Madschid wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit dazu zu verurteilen, gehängt zu werden, bis der Tod eintritt", verlas Richter Rauf Abdul Rahman das Urteil in einem der spektakulärsten politischen Prozesse seit den Nürnberger Prozessen vor rund 60 Jahren. Der Richter ignorierte damit einen Appell Saddams, bei einem Schuldspruch nicht durch den Strang, sondern durch Erschießen hingerichtet zu werden.
Nach der Bekanntgabe der Urteile wurden die Männer abgeführt. Nach der rund 45-minütigen Sitzung schloss Abdul Rahman den seit rund einem Jahr andauernden Prozess.
Ob und wann die Urteile vollstreckt werden, ist noch unklar. Nach Angaben aus Justizkreisen werden alle Verurteilten Berufung einlegen. Ein Todesurteil und eine lebenslange Haftstrafe ziehen nach irakischem Recht automatisch ein Berufungsverfahren nach sich. Sind alle Berufungsmöglichkeiten ausgeschöpft, muss das Urteil binnen 30 Tagen vollstreckt werden. Es gibt keine Vorschrift für die Dauer eines Berufungsverfahrens.
Merkel zeigt sich zurückhaltend
Während die irakische Regierung, die USA und Großbritannien das Urteil begrüßten, kritisierte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International den Prozess als nicht fair. Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich die ablehnende Haltung der Bundesregierung gegenüber Todesurteilen. Zugleich betonte sie, die Zeit des Saddam-Regimes müsse gerichtlich aufgearbeitet werden. Die Europäische Menschenrechtskonvention, die alle Mitglieder des Europarats unterzeichnet haben, verbietet die Todesstrafe.
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, sagte, sie hoffe, dass die irakische Regierung die Vollstreckung der Todesurteile aussetzen werde. Ähnlich äußerte sich die Europäische Union.
"Eine verpasste Gelegenheit"
Amnesty erklärte, durch einen "unfairen" Prozess sei die Gelegenheit versäumt worden, die Rechtsstaatlichkeit im Irak voranzubringen. Das Verfahren sei zu einer "schäbigen Angelegenheit" verkommen, bei der die Justiz nicht frei von Einflüssen der Politik gewesen sei.
"Jeder Angeklagte hat das Recht auf einen fairen Prozess, unabhängig von dem Ausmaß der Vorwürfe gegen ihn", erklärte der Nahost-Direktor der Organisation, Malcolm Stuart. "Hier wurde eine Gelegenheit verpasst, und die Verhängung der Todesstrafe macht das noch schlimmer." Amnesty lehnt die Todesstrafe grundsätzlich ab.
Freudenschüsse in Bagdad
In Bagdad waren nach der Urteilsverkündung Freudenschüsse zu hören. Iraks Ministerpräsident Nuri al-Maliki nannte das Urteil gegen Saddam eine "Lektion für alle Verbrecher und Terroristen". Er sei sehr erstaunt gewesen, dass seine Regierung von mehreren Staaten aufgefordert worden sei, Saddam freizulassen, erklärte Al-Maliki. An die Adresse der Sympathisanten Saddams sagte der Regierungschef: "Die Herrschaft Saddams und seiner Partei gehören nun endgültig der Vergangenheit an."
In Saddams Heimatstadt Tikrit demonstrierten laut Augenzeugen trotz einer Ausgangssperre am Sonntag Hunderte seiner Anhänger gegen das Todesurteil. Bei einem Mörserangriff auf Wohnhäuser in dem vorwiegend von Sunniten bewohnten Bagdader Stadtteil Adhamija starben laut Augenzeugen mindestens 20 Menschen. Auch in Bagdad, in Mossul und Bakuba war in Erwartung des Urteils eine Ausgangssperre verhängt worden.
In dem ersten Prozess gegen Saddam und sieben Ex-Funktionäre seines Regimes ging es um den Tod von 148 angeblichen Verschwörern. Diese waren 1982 in der schiitischen Kleinstadt Dudschail nach einem fehlgeschlagenen Attentat auf Saddam hingerichtet worden.
Zweiter Prozess läuft noch
Gegen Saddam läuft noch ein zweiter Prozess wegen Völkermordes an den Kurden. Es ist jedoch noch unklar, ob dieses Verfahren, in dem es um die Angriffe auf kurdische Dörfer im Nordirak in den Jahren 1987 und 1988 geht, vor einer Hinrichtung Saddams noch beendet werden kann. Der Dudschail-Prozess hatte im Oktober 2005 begonnen.
Saddams Forderung, die Urteilsverkündung zu verschieben, damit diese den Ausgang der US-Kongresswahlen am kommenden Dienstag nicht beeinflusse, war vom Gericht nicht beachtet worden. Saddam hatte nach Angaben seiner Anwälte gemutmaßt, US-Präsident George W. Bush habe auf eine Verurteilung kurz vor dem Wahltermin gedrungen, da dies den Republikanern zusätzliche Stimmen bescheren könnte.
"Gott ist groß"
Saddam, den amerikanische Soldaten im Dezember 2003 in einem Erdloch auf einem Bauernhof aufgespürt hatten, nahm den Urteilsspruch relativ gelassen auf. Er rief: "Es lebe das Volk, es lebe die (islamische) Nation, Allahu akbar, Gott ist groß." Al-Bandar, der seinerzeit den Prozess gegen die Schiiten aus Dudschail geleitet hatte, beschimpfte das Gericht als Versammlung von "Verrätern und Agenten".
Vizepräsident Taha Jassin Ramadan wurde von dem Sondertribunal zu lebenslanger Haft verurteilt. Drei Ex-Funktionäre von Saddams Baath- Partei aus Dudschail erhielten Haftstrafen von jeweils 15 Jahren wegen Massenmordes und Folter. Mohammed Assawi, ein weiterer Parteifunktionär, wurde als einziger Angeklagter freigesprochen.
Quelle:
http://www.n-tv.de